Mann, hast du dich verändert

Frauen feilen ständig an ihren Männern herum. Und wenn dann nichts mehr von ihnen übrig ist, suchen sie sich einen Neuen.

hast du dich veraendert

Als Ronnie und Carla sich zum ersten Mal trafen, war sie schwer beeindruckt: Was für ein Typ! Ronnie konnte virtuos mit dem Schweißgerät umgehen, er fertigte Kunstwerke aus Eisen. Er hatte sich eine Glatze rasiert, nur im Nacken fiel ein langer Zopf auf seinen Rücken. Er hatte Tattos auf den Unterarmen und trug aus Prinzip nur T-Shirts mit Tribals oder Totenkopf-Motiven. Ronnie besaß eine einzige Jacke: einen original M65-Feld-Parka. Dazu trug er Krokolederstiefel, die inzwischen mehr mitgemacht hatten, als das arme Tier, das für sie daran glauben musste. Ronnie fand Autos spießig. Er fuhr eine Triumph America mit breitem Hinterreifen, vorverlegten Fußpedalen und überdimensionalem Fahrersitz. Der Beifahrersitz war winzig. Ronnie sagte dazu "Soziusbrötchen". Mit anderen Worten: Ronnie war cool, und er war ein Original.

Als sie sich länger kannten, sah ihm Carla zwar immer noch manchmal verträumt in die Augen. Aber sie fragte sich dabei immer öfter, wie sie Ronnie dazu bringen konnte, etwas gesellschaftsfähiger zu werden. Schließlich wollte sie ihn ihren Freunden und auch ihren Eltern vorstellen.

Erdbeeren in Dessous Natürlich würde sie mit den groben Veränderungen erst beginnen, wenn Ronnie reif dafür war. Am Anfang begnügte sie sich noch mit Vorbereitungsmaßnahmen: Sie wiegte ihn in Sicherheit und gewann sein Vertrauen, indem sie prinzipiell in ansprechender, also flächenreduzierter, Kleidung erschien. Sie ließ bewundernde Blicke über seinen Körper streifen und unterzog dabei seine Frisur, sein Outfit und seine Haltung ganz nebenbei einer eingehenden Untersuchung.

Sie schmiegte sich an ihn und schnupperte an ihm, um zu testen, ob er sich regelmäßig duschte und ein akzeptables Aftershave benutzte. Darüber hinaus brachte sie ihn körperlich ein wenig auf Vordermann, indem sie ab und zu frisches Gemüse unter sein Essen mischte oder sich in Dessous auf dem Tisch räkelte und ihn dabei mit Erdbeeren oder Nüssen fütterte (eine geschickte Methode, um ihn zugleich auf Allergien zu testen).

Als Ronnie schließlich wie ein liebestrunkener Karpfen am Haken baumelte, fragte er Carla: "Würdest du dich sehr verändern, wenn ich dich heirate?" Worauf sie meinte: "Sagen wir mal so: Ich würde dich nur heiraten, wenn du dich änderst." "Wie meinst du das?" "Na, dieses Outfit! Und immer die laute Musik. Das Motorrad muss sowieso weg, spätestens, wenn wir Kinder haben." Ronnie war fassungslos. Er wollte bleiben wie er war: wild, brandgefährlich, unberechenbar. Er fand Carlas Vorstellungen spießig. Grausam. Inakzeptabel. Doch er fand Carla wunderschön, überirdisch und begehrenswert.

Und so begann das Ende von dem, was Ronnie einmal war.

Nach sechs Monaten sah Ronnie aus wie ... Nun ja, wie man eben aussieht, wenn man seine Frau zum Stil-, Ernährungs- und Imageberater ernennt. Wo sich einst nackte Haut zwischen zwei Ohren spannte, hielt der Haarwuchs Einzug - natürlich unter fachmännischer Betreuung eines Friseurs, der alle vier bis sechs Wochen dafür sorgte, dass eine ordnungsgemäße Länge von fünf Zentimetern nicht überschritten wurde. Seinen Zopf bewahrte er in einer Schachtel auf, zusammen mit den Ohrringen, die er entfernt hatte, weil sie nicht mehr zu ihm passten.

Ronnie trug jetzt Cordhosen und Pullunder zu Hemden, die seine Tätowierungen bedeckten. In Farben, von denen Carla behauptete, sie würden seine Augen zur Geltung bringen und ihm außerdem ein kompetentes Äußeres verleihen. Das benötigte er jetzt auch, denn Ronnie arbeitete seit Kurzem bei einer Bank. Den Job hatte ihm Carlas Vater besorgt. Genau wie den Golf, mit dem er jeden Morgen in die Arbeit fuhr, nachdem er ein Vollkornbrot mit Frischkäse und eine Orange gefrühstückt hatte. Das Motorrad und seine wilde Vergangenheit rosteten gemeinsam in seiner Werkstatt vor sich hin.

Ronnie, der Spießer Ronnie war genau das geworden, was sich Carla gewünscht hatte. Doch etwas stimmte nicht.

"Irgendwie siehst du mich in letzter Zeit ganz anders an als sonst", beklagte er sich. "Und das mit den Erdbeeren machst du auch nicht mehr." Doch sie zuckte nur mit den Schultern. "Ich weiß nicht, was du meinst." Da wurde ihm plötzlich klar: Sie hatte ihn so lange umerzogen, bis nichts mehr von ihm übrig war. Und jetzt fand sie ihn langweilig und spießig.

Zwei Wochen später zog sie aus.

Als er sie neulich zufällig auf der Straße traf, saß sie auf dem Motorrad von so einem langhaarigen Typen. Der Beifahrersitz seiner Harley war eindeutig größer als das "Soziusbrötchen" von Ronnies Triumph. Seine Boots waren noch abgewetzter. Er trug eine Lederhose, die seitlich geflochten war. Auf seinem Arm prangte ein Tattoo - in Herzform. Mittendrin Carlas Name. Der spöttische Blick, den der Rocker auf seine 300-Euro-Schuhe und sein Cord-Sakko warf, gefiel Ronnie überhaupt nicht.

Als er um die Ecke bog, hörte er noch: "Kennst du den Schnösel?" "Nur flüchtig", sagte sie. Ronnie stellte sich vor, wie Carlas Neuer wohl in Trenchcoat und rosa Hemd aussehen würde und musste lächeln. Dann betrat er den kleinen Friseurladen, in dem schon morgens Heavy Metal lief, und schrie gegen den Lärm in den Raum hinein: "Könnt ihr mich einschieben? Geht ganz schnell. Nur eben mal den Kopf rasieren."

 

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